Intermezzo weitaus mehr als nur ein Zwischenspiel
Vernissage der Ausstellung "Intermezzo" im Rathaus Bruchhausen-Vilsen der Künstlergruppe ART-Projekt
  
26.06.2016
D 27305 Bruchhausen-Vilsen
Ausstellung

Die Künstler bedanken sich bei der Stadt Bruchhausen-Vilsen für die Ausstellungsmöglichkeit, bei Jutta Filikowski für den hervorragenden Service, bei SG-Bürgermeister Bernd Bormann, dass er sich als "Hilfskraft" der Kunst während der Laudatio durch Schaltung der Beamer-Show betätigte und bei Dr. Dr. Wolfgang Griese für seine beeindruckend profunde Rede und die Zurverfügungstellung seines nachfolgenden
Manuskripts der Laudatio zur Kunstausstellung „Intermezzo" im Rathaus Bruchhausen-Vilsen am 26.06.2016 (von Dr. Dr. Wolfgang Griese)


Liebe Freunde der Kunst und speziell des Kunstvereins Art-Projekt,

sicher ist das Ambiente für eine Kunstausstellung hier in den Gängen des Rathauses im Vergleich zu den gewohnten Räumlichkeiten in der Klostermühle Heiligenberg nicht gerade optimal. Dass dennoch neun Künstlerinnen bzw. Künstler trotz der derzeitigen widrigen Umstände gemeinsam eine Auswahl ihrer Werke der Öffentlichkeit präsentieren, um damit die Art-Projekt auszeichnende Ausstellungskultur lebendig zu erhalten, ist deutliches Indiz dafür, dass man auch in schwierigen Zeiten unbeirrt an den Zielen des Vereins festhält, nämlich der Förderung von Kunst und Künstlern.
Bisher war die historische Klostermühle Heiligenberg Domizil und Ausstellungsort des Kunstvereins Art-Projekt zugleich. Für die Künstlervereinigung war es wie ein Sechser im Lotto als im Jahre 2003 die damalige Wirtin Christa Hufnagel zur kunstaffinen Persönlichkeit mutierte und die Mühle samt romantischer Umgebung für künstlerische Aktivitäten der unterschiedlichsten Art öffnete. Eine Win/Win-Situation für den Verein und die Wirtin, aber auch für den KuK, unseren Kunst- und Kulturverein, sowie für das kulturelle Angebot im Luftkurort Bruchhausen-Vilsen schlechthin. Schon 13 Jahre währt diese geglückte Symbiose aus Kunst, Kultur und origineller Gastlichkeit. Wir alle hoffen, dass diese Erfolgsgeschichte mit den ebenfalls kunstinteressierten Nachfolgern, der Familie Brüning, wenn auch unter veränderten Rahmenbedingungen, fortgesetzt werden kann.
Der Titel dieser Ausstellung lautet „Intermezzo", ein Zwischenspiel, das die domizilfreie Zeit überbrückt. Und dass Intermezzi keine Lückenbüßer sein müssen, sondern eine eigene Qualität entwickeln können, beweisen nicht nur Klaviersonaten von Johannes Brahms oder die gleichnamige Oper von Richard Strauss, sondern auch diese heutige Ausstellung.
Ein Intermezzo stellt die Verbindung zwischen dem Vergangenen und dem Zukünftigen dar. Da wir in diesem Fall das Vergangene kennen und schätzen gelernt haben, sollten wir es mit schönen Erinnerungen aktivieren, um daraus die Erkenntnis zu gewinnen, dass sich eine Fortsetzung, möglicherweise mit neuen Elan und innovativen Ideen regelrecht aufzwingt. Dieses Bild von Peter Schnibbe, das Mitglieder von Art-Projekt in der spezifischen Atmosphäre der Klostermühle zeigt, spricht für sich: von einer Künstlergemeinschaft, die es sich lohnt zu pflegen, sei es in fröhlicher, ausgelassener Runde, in Diskussionen nach Herzenslust oder mit gemeinsamen Ausstellungen wie dieser.


Meine Damen und Herren,

so unterschiedlich wie die Künstlerpersönlichkeiten der Vereinigung sind, so unterschiedlich und vielseitig sind auch ihre Ausdrucksformen, ihre Kunstauffassungen, ihre Materialwahlen, ihre Stilrichtungen und ihre Experimentierfelder.
Schon die hier ausgestellten dreidimensionalen Arbeiten zeigen deutlich, dass sich hier Künstler präsentieren, die sehr unterschiedliche Formensprachen entwickelt haben und sich damit hervorragend ergänzen.

Gert Schröder

Obwohl Gert Schröder die traditionellen Materialien Bronze und Marmor für seine künstlerische Arbeit favorisiert, experimentiert er gerne mit unterschiedlichsten Natursteinsorten aus Steinbrüchen der näheren und weiteren Umgebung.
In dieser Ausstellung verzichtet er auf offene raumgreifende Skulpturen zugunsten blockhafter und massekonzentrierter Werke, die mit Ausnahme der Bronze „Avanti" statische Situationen kennzeichnen.
Eine dieser Skulpturen „Macho" (Bild 39) dominiert die Einladungskarte zu dieser Ausstellung. Zweifelsfrei äußerst gegenständlich!
Sie zeigt das aus hartem Serpentin geschlagene Abbild eines menschlichen Körpers, eines Körpers, der das männliche Schönheitsideal der Antike spiegelt. Ein Adonis mit breiten Schultern, schmaler Taille und einem beneidenswerten Waschbrettbauch, eine Traumfigur, die selbst Aphrodite bzw. Venus schwach werden ließ und sicher noch heute die Augen der Frauenwelt leuchten lässt.
Die Torsierung, auf die Gert Schröder als künstlerische Konzeption zurückgreift, führt durch Verzicht auf Kopf und Glieder zwar zur figürlichen Unvollständigkeit, impliziert aber eine Fokussierung auf das vermeintlich Wesentliche. Darüber hinaus eröffnet sie vor allem für die Betrachterin, vielleicht aber auch für den Betrachter, den Freiraum, um den Torso mit eigener Phantasie zum individuell gewünschten Traummann mutieren zu können.
Es ist eine Skulptur mit einem interessanten Wechselspiel zwischen konvexer und konkaver Formgebung, die, ins rechte Licht gesetzt, die spezifische Plastizität einer Muskellandschaft offenbart. Wie in seinen anderen Skulpturen auch, wählt Gert Schröder eine klare Formensprache, die auf (diffuse ) Binnenstrukturen verzichtet, um so mit der von unserem Auge wahrgenommenen „glatten" Oberfläche ein positiv haptisches Erlebnis zu verheißen.

Otto Kirmse

Anders als Gert Schröder konzentriert sich Otto Kirmse auf das Material Holz und die Formenvielfalt, mit der uns die Natur immer wieder neu beschenkt. Vor dem Hintergrund der philosophischen These: „Die wahre Lebensweisheit besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen" entwickelt er ein Auge für diesen Formenschatz und erhebt so manches Fundstück mit oft minimalem Eingriff zu einem Kunstwerk. Hierbei lässt er die von der Natur geschaffene Form im Wesentlichen stehen und verfremdet das reine Naturprodukt Inhalt stiftend durch collageartig hinzugefügte Schriftzeichen bzw. ästhetisierend und die Form betonend durch eine Lasur oder einen Farbanstrich.
(Bild 60) So wird z.B. das Wurzelwerk eines Baumes, das in der Erde für uns unsichtbar pflanzliches Leben stiftet, durch Drehung um 180 Grad funktional entwurzelt und als verwirrendes Konstrukt unterschiedlichster Formen präsentiert, eine Metamorphose eines Naturtorsos in ein Kunstobjekt, ein „ready made" der besonderen Art.

Udo Richter

Holz ist auch das bevorzugte Gestaltungselement des Bildhauers Udo Richter. Doch wie die hier gezeigte Arbeit schnell erkennen lässt, wird das Naturprodukt Holz zum reinen Material, aus dem eigene sich aus der Phantasie des Künstlers entwickelnde Formen herausgearbeitet werden. Dies geschieht nicht nach Skizzen oder festgelegten Formkonzepten, sondern in einem zunächst offenen, sich dann aber nach und nach verdichtenden kreativen Formfindungsprozess. Mit diesem dreidimensionalen Werk grenzt sich Udo Richter schon alleine durch die Präsentation ab (Bild 61). Während die anderen Arbeiten in den Raum gestellt sind und damit in ihrer Dimensionalität haptisch und visuell optimal erfahrbar werden, ist diese Arbeit so gehängt, dass dem Betrachter bei aller Plastizität dieses Hochreliefs die Rückseite verborgen bleibt.
Udo Richter entwickelt hier eine Formensprache mit floralen, der Natur entlehnten Ornamenten, eine raffinierte Verschmelzung von klaren und filigran verspielten Teilen. Bezieht man noch die durch die Zwischenräume entstehenden Negativformen aktiv in das Skulpturkonzept ein, so besticht die skulpturale Komposition trotz der Monumentalität des Reliefs durch ihre vermittelte Leichtigkeit. In Kombination mit der Farbe „Schwarz" sind Assoziationen zu chinesischen bzw. japanischen Kaligrafien recht naheliegend, und dies auch ohne den Titel „japanische Sinfonie" gelesen zu haben.

Nadya Hauswald

Der deutsche Romantiker Matthias Claudius schrieb vor gut zweihundert Jahren im Kontext seiner Reiseerfahrungen die heute zum Werbeslogan avancierte Erkenntnis nieder: „Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen."
Und ganz offensichtlich kann Nadya Hauswald unseren Dichter nur bestätigen. In all ihren Bildern, die sie in dieser Ausstellung zeigt, erzählt sie von einer Reise, einer Reise nach Italien, einem Land, das seit Jahrhunderten Künstler aller Kunstgattungen besonders inspirierte (Bild 54).
Doch anders als Matthias Claudius oder der große Italienreisende Johann Wolfgang von Goethe erzählt Nadya Hauswald nicht in verbaler Prosa oder Lyrik, sondern mit Pinsel und Ölfarbe auf Leinwand oder Karton. Es ist eine leicht lesbare gegenständliche Bildsprache mit farbintensiven expressivem Ausdruck mit der sie uns an ihren Reiseeindrücken teilhaben lässt, an italienischen Landschaften, besonderen Stimmungen, den Menschen und der Mode.
Ihr mit „Schicki-Micki Italiener" betiteltes Bild offenbart einmal mehr, dass diese Künstlerin neben
Kunst auch Modedesign studiert hat. Ein elegant gekleidetes Paar promeniert, auf Außenwirkung bedacht, mit Hündchen in mediterraner Umgebung. Sie weiß, er schwarz gekleidet und beide mit extravaganten Kopfschmuck gut behütet, snobistisch gestylt, als seien sie gerade einen Modemagazin entstiegen. Ein Genrebild der italienischen Schickeria, aber auch ein Bild mit einem Augenzwinkern und vielleicht sogar gemixt mit humorvoll spöttischen Accessoires. Bemüht man beim Schwarz-Weiß-Kontrast noch die Farbsymbolik und den unschuldigen Augenaufschlag von ihr und ihrem Hündchen, so könnte dieses Werk auch den Titel des griechischen Sprichwortes haben: „Wie die Herrin, so ihr Hündchen", bzw. die uns besser bekannte Version: „Wie der Herr, so das Gescherr".

Karin Schildmair

Grundsätzlich lässt sich Karin Schildmair in ihren Arbeiten vom Zufall leiten. Ihre Inspiration erhält sie abhängig von der jeweiligen Stimmungslage durch Musik, Literatur, lyrische Gedichte oder durch die sie umgebende Natur.
In der zurückliegenden Worpsweder Phase waren es vor allem die Moorlandschaften und die Flusslandschaften der Wümme und der Hamme, die zur künstlerischen Umsetzung drängten. Im Worpsweder Atelier entstanden so gemalte Kombinationen aus innerer Befindlichkeit und einem korrespondierenden verinnerlichten Naturerlebnis. In dieser äußerst kreativen Phase dominierten, der Landschaft angepasst, harmonisch abgestimmte Farbkombinationen, die eher gedeckt und zurückhaltend wirken. Zusammen mit diffusen Konturen und weichen Übergängen entstanden Landschaftsvisionen, die zum Meditieren animieren.
In deutlichem Kontrast dazu stehen die hier gezeigten abstrakten Arbeiten (Bild 40+41).
Die Kompositionen mit den reinen leuchtenden Primärfarben Rot, Gelb und Blau aktivieren die kunsttheoretischen Dialoge der 60-er Jahre, die Geburt der Autonomie der Farbe und die Entdeckung ihrer psychologischen Wirkung, die im Betrachter die Illusion des ihn umschließenden Farbraumes entstehen lässt.
Doch anders als Barnett Newmanns Kunstgeschichte schreibende Bildfolge „Who’s afraid of Red, Yellow and Blue", die mit streng geometrisch gesetzten Farbfeldern experimentiert, favorisiert Karin Schildmair die lyrische Abstraktion, in der statt konstruktiver und geometrischer Elemente spontane Improvisationen und direkt künstlerisch umgesetzte Empfindungen eingesetzt werden.

Karin Altrogge

Auch Karin Altrogges Bildauswahl zeigt deutlich, dass sie zur Zeit auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen ist. Sie experimentiert mit verschiedenen Mixed-Media Techniken und einzelnen Varianten des Abstraktionsprozesses, um sich von der rein gegenständlichen Malerei zu lösen. Auf der einen Seite finden wir eine vom Zufall gesteuerte Rostschüttung (Bild 68), die ein nach hinten gestaffeltes sanft schwingendes Wellenprofil abbildet und sich sowohl in der Horizontale als auch in der Tiefe mit Hilfe der Luftperspektive verliert, ein Formenkonstrukt, das Ruhe ausstrahlt und zur Besinnung einlädt. Wie der Titel verrät, ruft es bei der Künstlerin selbst Assoziationen an die sanfte Hügelwelt der Toskana auf. Auf der anderen Seite sehen wir ein durchkomponiertes Konstrukt eines Ausschnitts einer Stadtlandschaft (Bild 67), vertikal orientierte Architektur auf engem Raum mit Detailverzicht und den damit verbundenen Vereinfachungen. Das Ganze ist expressiv gemalt mit einem ins Auge springenden variablen Pinselduktus, dynamisch, grob, heterogen und konturenhaft. Ergänzt werden diese Ausdrucksmittel durch das von Max Ernst entwickelte künstlerische Verfahren der Grattage, bei dem Spuren in die Malschicht gekratzt oder geschabt werden.
Karin Altrogge fängt alleine mit diesen künstlerischen Mitteln eine unruhige, ja, hektische Großstadtatmosphäre ein, und dies mit eigentlich statischen, stabilen Gebäudekomplexen und ohne die Menschen, die diese hektische Atmosphäre prägen. Um sie ins Spiel zu bringen und damit die narrative Qualität zu steigern, bedient sie sich der Technik der Collage, in der fremde Materialien, wie Zeitungsausschnitte, Stoffteile, Fotografien und Graffitis in die Malschicht eingearbeitet werden.
Das 2-dimensionale Werk erhält dadurch zumindest im Ansatz eine 3. Dimension und gewinnt damit haptische Qualitäten. Alleine durch das Integrieren des realistischen Abbildes der Elbphilharmonie als prägendes Symbol Hamburgs wird das Wasser zur Elbe und die Stadtlandschaft zu Hamburgs Speicherstadt.

Regine Wanek

Mit Regine Wanek verbinden viele von uns zunächst die Arbeit „Moving Blue" (Bild 33), ein originelles kinetisches Objekt, das aus Farbbahnen mit verschiedenen Blauvarianten besteht, die, vom Winde bewegt, mit den Blautönen des Himmels zu unterschiedlichen Farbklängen verschmelzen. Auch in den Bildern dieser Ausstellung ist sie der Auseinandersetzung mit der Farbe Blau treu geblieben und teilt damit ihre Blaubegeisterung mit vielen anderen Künstlern aus verschiedenen Kunstepochen und Kulturkreisen. In ihrer abstrakten Bildsprache, die die Bandbreite von streng geometrisch bis lyrisch umfasst, besticht diese Künstlerin zunächst durch die Intensität und Leuchtkraft der Farben sowie durch die Vielschichtigkeit der dargestellten Kompositionen. Dabei spielt sie variantenreich mit den Möglichkeiten einer reduzierten Farbpalette und experimentiert mit Farbverwandtschaften und Farbharmonien (Bild 35).
Obwohl diese abstrakten Werke für uns in der Art der Betrachtung und den Assoziationen völlig offen sind, haben sie für die Künstlerin selbst fast alle ihre eigene Geschichte und spiegeln - künstlerisch umgesetzt - auch deren Gedanken, Stimmungen, Empfindungen und Befindlichkeiten wider. Regine Waneks blaue Kompositionen basieren in der Regel nicht auf farbtheoretischen und farbpsychologischen Auseinandersetzungen, sondern sie haben alle einen Bezug zur Landschaft und dem sie prägenden Wasser.
Insofern können diese Bilder auch mit einer Hommage an das Wasser verknüpft werden. Wasser als das alles Leben ermöglichende Element mit seiner sich ständig verändernden Gestalt, der Ruhe und Schönheit einerseits und der zerstörerischen Gewalt und dem damit verbundenen Chaos andererseits. Fokussiert man allerdings seinen Blick auf die Farbsymbolik der Farbe Blau oder auf seine farbpsychologische Wirkung, wie sie z.B. von Wassily Kandinsky entwickelt wurde, so eröffnen sich vielfältige andere Zugänge; solche zum ästhetischen Genießen, zum Meditieren, zum Nachdenken und zum Philosophieren.

Peter C. Creuzburg

Peter C. Creuzburg ist ein äußerst vielseitiger Künstler, der häufig programmatisch arbeitet und in vielen seiner Werke seine politische Meinung und Weltsicht zum Ausdruck bringt. Einer anderen Facette seines Oeuvres begegnen wir in einer seiner jüngsten Arbeiten mit dem Titel „Farbfantasien l bis 6" (Bild 23-28). Es ist ein Kunstwerk, das mosaikartig aus mehreren kleineren Elementen zusammengesetzt ist und offen nach allen Seiten erweitert werden könnte. Jedes Einzelelement war
ursprünglich ähnlich einer Farbpalette ein reiner Farbträger, der zum Mischen der Farben beim Malen eines anderen Bildes genutzt wurde. Peter C. Creuzburg modifiziert die vorgefundene mehr oder weniger zufällig entstandene Farbsubstanz und erhebt das während eines Malprozesses genutzte Hilfsmittel zum Kunstwerk.
Ganz offensichtlich hat Marcel Duchamp Spuren hinterlassen.
Die „Farbfantasien" sind künstlerische Werke, die man sicher rein kontemplativ betrachten kann. Sie reizen aber auch zum intensiven Diskurs. Es sind Werke ohne Gegenstandsbezug, inhaltsfrei, losgelöst von jeder künstlerischen Handschrift befreit von jeder intellektuellen Überhöhung oder vielleicht auch nicht, aber auf jeden Fall ein variantenreiches Durchdeklinieren des Prinzips der Formlosigkeit.
Es ist ein Spiel mit Farben und Farbstrukturen sowie dem Malprozess als solchen. Farben und Farbpartikel rinnen und zerrinnen, vermischen und verändern sich, bilden Strukturen oder diffundieren auseinander. Hier wird Farbmaterie verdichtet, dort löst sie sich auf, hier wird sie fest, dort fließt sie in die Fläche und verschwindet. Eine Hommage an die Farbe! Vielleicht aber auch ein Intermezzo in Richtung „informel painting", oder vielleicht doch eine kritische Anmerkung zu eben dieser Stilrichtung?
Im wahrsten Sinne des Wortes ein offenes Kunstwerk, dem man sich sehr unterschiedlich nähern kann. Peter C. Creuzburg verknüpft es mit seiner „your picture action", indem er seine Werke nicht nur zum Kauf anbietet, sondern auch vermietet. Kunst für jedermann! Eine Art Kunst-sharing zu erschwinglichen Preisen!

Adam

Der Bildhauer, Maler, Designer und Grafiker mit Künstlernamen „Adam" ist für seine hintergründigen und häufig doppeldeutigen Arbeiten bekannt. Und auch hier ist er sich treu und konfrontiert den Besucher mit zwei originellen Gestaltungsprinzipien, die mit einer rein kontemplativen Betrachtung nicht zu erschließen sind. Es sind ein großformatiges Bilderpuzzle, das den Namen eines Worpsweder Künstlers ausspart und die leicht und filigran wirkende
„Schmetterlingsinstallation" mit dem Titel „ ich bin so hoch geflogen" (Bild 10).
Während das Multimedia-Objekt mit den Origami Schmetterlingen die eigene künstlerische Arbeit der vergangenen 25 Jahre vor dem Hintergrund mangelnder finanzieller Anerkennung thematisiert, spiegelt das Multimedia Wandobjekt „Gold, Rot, Tod" (Bild 1-9) die Biografie Heinrich Vogelers, die Lebensgeschichte eines politischen Künstlers, eines Universalisten, Visionärs und Utopisten. Das nicht zusammenpassende Puzzle visualisiert Vogelers Entwicklung vom bürgerlich- romantischen „Märchenprinzen", vom Liebling der Schönen und der Reichen, zum proletarisch-revolutionären Künstler, der in den Steppen Kasachstans elend zugrunde ging.
Während sein Frühstil von den Präraffaeliten, von Beardsley, dem Jugendstil und der Sehnsucht nach Harmonie geprägt wurde, dominieren in seinem Spätwerk Komplexbilder mit einer kubistisch kristallinen Flächengliederung, bedeutungsschweren Symbolen und der realistischen Darstellung verschiedenster Wirklichkeitsausschnitte in vielfältig variierter Perspektive. Und letztlich fügt Adam den Vogelerschen Komplexbildern noch ein weiteres hinzu, nur, dass es inhaltlich nicht dem Kommunismus sondern dem mit zahlreichen Brüchen versehenen Leben Heinrich Vogelers gewidmet ist.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde der Kunst,

Kunstwerke haben ein Eigenleben wie lebendige Wesen. Sie verändern sich mit den Betrachtern, mit deren Gemütsverfassungen und Interpretationen. Und da das Kunstwerk nur Leben hat durch den Menschen, der es Betrachtet, sollten wir jetzt all unsere Kreativkräfte nutzen, um diese Ausstellung mit unverwechselbaren Leben zu erfüllen.